Nahezu täglich erscheint in den Ruhr Nachrichten ein Artikel bzw. Leserbrief zum Thema KSS. Erst hieß es, dass die Lüner Politiker:innen Neuem gegenüber nicht aufgeschlossen wären und doch nur an verstaubten alten Sachen festhalten, dann thematisierte man die Kosten für externe Beratung und zuletzt ging es um das Thema Ideologien. Auch die Verwaltung hätte sich gewünscht, dass die Politiker:innen nicht so kritisch und unflexibel auf das vorgestellte Planungskonzept reagieren und den innovativen Gedanken des Planungsbüros mehr Euphorie entgegenbringen würden.

Deshalb möchte ich den Bürger:innen heute meine Sicht auf die Dinge näher bringen.

Ich bin für Sie/Euch als Ratsfrau im Ausschuss für Stadtentwicklung & -planung tätig und damit verpflichtet, mich für das Wohl der Bürger:innen in Lünen einzusetzen. Und das ist manchmal ziemlich kompliziert.

Fakt ist:

Der Rat der Stadt Lünen hat am 14.12.2017 die Verwaltung beauftragt Planungskosten in Höhe von 50.000,00 Euro in den Haushalt 2018 einzustellen, um eine vergleichende Kostenermittlung und Darstellung unterschiedlicher Alternativen für eine Fußgängerquerung sowie vergleichende Prognosedarstellung der Auswirkungen auf den Verkehrsfluss zu erhalten. Auf Basis dieses Auftrags der Verwaltung hat das Dortmunder Planungsbüro bjp-Bläser-Jansen & Partner GbR am Abend des 13.04.21 dem Ausschuss für Stadtentwicklung & -planung und dem Ausschuss für Umwelt, Klima & Mobilität seine Gedanken zur Gestaltung der KSS im Jahre 2050 samt Umfeld durch Herrn Dr. Hendrik Jansen vorgestellt.

Ein „roter Teppich“ als Boulevard verbindet die Innenstadt mit dem Theater, Quelle Foto RN

Nun bin ich neben meiner Aufgabe als Ratsfrau auch gelernte Stadtplanerin und das mit Herz und Seele. Auch ich habe in meinem Leben Entwürfe erstellt, die meiner heutigen Auffassung nach (genau wie m.E. wie die Entwürfe des Büros bjp) utopisch waren. Aber ist das für eine Studie, die auf das Jahr 2050 abzielt, nicht auch logisch?

Beim ersten Anblick des Entwurfs war auch mein primärer Gedanke: „Was für ein Unsinn! Wie soll das denn funktionieren?“ So ein Quatsch!!!

Doch bei aller Kritik am Entwurf muss man sich immer wieder die Aufgabenstellung vergegenwärtigen:

Das vorgetragene Ergebnis soll einen zukunftsweisenden innovativen Entwurf für eine Fußgängerquerung und vergleichende Prognosedarstellungen aufzeigen. Genau das hat das Planungsbüro getan. Das Büro hat als Grundlage 3 Konzepte zur Querung der KSS vorgesehen:

  1. a) eine Ampelkreuzung, b) eine Fußgängerbrücke, c) einen Fußgängertunnel.
Quelle Bild: PPP bjp-Bläser-Jansen & Partner GbR

Geht man aus Kostengründen zunächst von einer klassischen Ampelkreuzung (Lichtsignalanlage=LSA) aus, ist der gezeigte Entwurf dann die Weiterentwicklung dieser Variante.

Quelle Bild: PPP bjp-Bläser-Jansen & Partner GbR

Das Büro hat selbst gesagt: „Der Entwurf in Szenario 3 zeigt eine Prognose für das Jahr 2050 bei der die KSS keine Durchgangsstraße, sondern maximal eine Sackgasse ist“.

Da auch ich nicht verlässlich in das Jahr 2050 schauen kann, muss ich zugestehen, dass der Entwurf das ist, was verlangt wurde und vielleicht gar nicht so harsche Kritik verdient hat.

Ein autofreier begrünter Boulevard, der eine ebenerdige Verbindung zwischen Innenstadt, dem Theater und dem Hotel Riepe schafft, finde ich doch gut. Ein schöner ruhiger und begrünter Ort zum Bummeln mit netten Geschäften und Restaurants…toll!!

Doch nun kommt das A B E R:

So ganz kann ich meine ablehnende Haltung gegenüber diesem Entwurf doch nicht ablegen.

Die Überschrift des Auftrages von Rat an Stadt lautet: „ Eine Machbarkeitsstudie zur KSS zu erstellen“.

In diesem Kritikpunkt bleibe ich dabei, der Entwurf ist gefällig aber m.E. selbst für das Jahr 2050 zu utopisch, da ich die MACHBARKEIT hier nicht gegeben sehe.

Auch die Entwurfsverfasser scheinen zu vermuten, dass die Autos im Jahre 2050 nicht vollständig verschwunden sein werden. Man kann zwar in der Zeichnung die Autos noch so schön rosa-transparent darstellen, sie bleiben in Wahrheit aber auch in 2050 immer noch Autos aus Blech mit laufenden Motoren egal welchen Antriebs.   Und wir werden weiterhin für diese Autos einige Parkplätze nahe der Innenstadt brauchen, wenn wir diese am Leben halten wollen.

Genau wie das Büro kann ich 2050 nicht vorhersagen, aber was bleibt ist meine Kritik, dass ich eine Gesamtbetrachtung völlig vermisse. Der Entwurf betrachtet einen Teilbereich losgelöst aus dem städtebaulichen Gesamtzusammenhang.

Es blieben bei mir so viele Fragen zum stadtplanerischen Gesamtkonzept unbeantwortet.

Erstens

ich gebe zu bedenken: Der „böse verteufelte“ Auto-Verkehr besteht nicht nur aus Mann oder Frau, die mit Ihren SUVs zum Brötchenholen besser mal das Rad genommen hätten. Sondern vielmehr aus Berufstätigen wie Pendlern, Handwerkern, Pflegediensten oder anderen mobilen Service-Verkehren, die einfach ihrem Job nachgehen und die Wirtschaft in Lünen am Laufen halten und das m.E. auch 2050 per Auto (motorisiertem Individual Verkehr= MIV). Diese Verkehre sind ja in 2050 nicht einfach weg, bloß weil wir die KSS überplanen, zur Sackgasse umbauen und einen Boulevard anlegen.

Außerdem zweifle ich an den Ausführungen des Planers, dass trotz vollständiger Bebauung des Pfarrer-Bremer-Parkplatzes, immer noch genug Stellplätze zur Verfügung stehen.

Zweitens

Das Planungsbüro regte an, eine Umfahrung dieses Bereichs könnte über die Zwolle–Allee und die Kupferstraße erfolgen. Da ist es wieder das fehlende Gesamtkonzept. Ich halte diese Umfahrungstaktik für kaum umsetzbar. Wir lassen also den nicht wegzudiskutierenden Durchgangsverkehr „außen rum gurken“. Wobei aktuell keiner geprüft hat ob und wie „außen rum“ überhaupt jemals sinnvoll funktionieren kann. Mir ist überhaupt nicht klar wie eine sinnvolle Verbindung der nördlichen Lüner Stadtteile mit dem Lüner Süden erfolgen kann. Ich habe die Sorge, dass wir auf diese Weise eher das Verkehrsaufkommen erhöhen, da die Fahrtzeiten und Staus um und in Lünen noch viel länger werden. Klimapolitisch ist das wohl keine gelungene Alternative.

Drittens

Wer sitzt/ arbeitet denn hinter den neuen Schaufenstern (EG der Gebäude im Bild „Der rote Teppich zum Theater), schaffen wir jetzt den Geschäften/Unternehmen in der Langestraße neue Konkurrenz? Gibt es noch mehr „1-€- Läden“? Was passiert dort? Muss dort eventuell sogar angeliefert werden, also doch Verkehr im autofreien Bereich, womöglich mehr als Jetzt, da ja neue Gebäude /Menschen hinzukommen?

Fragen über Fragen….

Sie sehen/ Ihr seht es gibt noch viele offene Fragen, die es in naher Zukunft mit der Verwaltung zu klären gibt.

Was keine Frage ist: Wir brauchen eine Verkehrswende, weg vom MIV hin zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln.

Ja, wir müssen es dem Autoverkehr in Lünen schwer(er) machen, damit die Leute vom bequemen Auto auf (zurzeit noch ungünstigere) Alternativen umsteigen, wo es geht. Aber dazu müssen ja wohl erstmal eine attraktive Infrastruktur und ein Gesamtverkehrskonzept mit guten Alternativen für den ÖPNV, den Rad- und Fußgängerverkehr her. Angefangen bei netten wettergeschützten Haltestellen über schnelle ÖPNV Verbindungen mit kurzer Taktung, bis zu sicheren Rad- und Fußwegen.

Es muss eben ein Gesamtkonzept her!

Die Notwendigkeit einer Verkehrswende bezweifelt in der Politik keine Fraktion, aber bitte doch nicht so!

Indem wir Hauptverkehrsadern einfach kappen, schaffen wir kein Umdenken oder Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. So steigt keiner „um“, sondern alle „aus“ und gehen dorthin, wo man bequem mobil sein kann. Das heißt noch mehr Abwanderungen aus Lünen. Die Abwanderung kleiner und mittlerer Unternehmen aufgrund der schlechten Verkehrssituation in Lünen und der Wegzug vieler Familien auf verzweifelter Wohnungssuche nach bezahlbarem Wohnraum ist schon heute in unserer Stadt zu spüren.

Durch ein Mobilitätskonzept welches Hauptverkehrsachsen kappt, wird der Abwanderungsprozess meiner Ansicht nach nur beschleunigt. Wir wollen Lünen doch attraktiv machen und nicht Abwanderungen fördern.

Die PolitikerInnen im Rat sind nicht alle phantasielos und altbacken und halten sich nur an alten Zöpfen oder Ideologien fest. Wir als SPD wehren uns auch ganz bestimmt nicht gegen die Verkehrswende Wir sind aufgeschlossen gegenüber neuen Konzepten sowie Innovationen. Die SPD steht zur Verkehrswende, aber Lünen muss doch trotzdem für alle (auch Autofahrer) attraktiv bleiben.

Ich, als Ratsfrau stehe dazu, lieber als altbacken und verstaubt zu gelten, als realitätsfremd und unprofessionell zu sein.

Zum Thema die PolitikerInnen hätten keine Phantasie und haben keine neuen Ideologien, möchte ich folgendes sagen:

Ich wäre sogar noch weiter gegangen als das Planungsbüro und hätte nicht die Fußgänger unter der KSS durchgeführt, sondern gleich die KSS im Tunnel verschwinden lassen. Ich empfinde ein Szenario bei dem die Hauptverkehrsachse unter die Erde verlegt wird als wirklich attraktiv.

Wahrscheinlich würde meiner Vorstellung nachgesagt, dass man dabei wieder der autogerechten Stadt den Vorzug gäbe und das dieses somit eher eine Art Nachkriegsmodell wäre. Ganz zu schweigen davon, dass ein solches Vorhaben rein geographisch/ topographisch extrem schwierig wäre. Man müsste ja schließlich mit der untertunnelten Straße unter der Lippe durch. Doch mal ehrlich, wenn man (so wie ich gerade) schon „rumspinnt“, dann richtig.

In meinem Kopf war bei meiner Tunnel-Variante sofort das Bild einer wirklich großen innerstädtischen Grünanlagen mit Flächen für die Jugend (eine richtig tolle Skateranlage), Freizeit- & Kultureinrichtungen umrahmt von attraktiven Gebäuden als Blockstruktur mit bezahlbaren Wohn- und Gewerbeflächen, Handwerkerhöfen und Geschäften unter einem Dach.

Irgendwann, wenn wir wirklich kaum noch Autoverkehr haben würden, dann könnte der Auto-Tunnel anderweitig genutzt werden. Kneipen- und Kulturszene im Untergrund (im Tunnel) hat vielleicht auch was?!

Haben Sie /habt ihr jetzt nicht auch schöne Bilder und viele Ideen im Kopf? Und denkt gerade meine Utopie weiter? Na dann habe ich ja mein Ziel erreicht!

Ich wollte Sie/Euch zum Nachdenken und Mitmachen bewegen. Von wegen Lüner PolitikerInnen hätten keine neuen Ideologien oder Phantasie. Doch die habe ich!

Auch ich darf träumen, oder wie andere sagen würden „rumspinnen“, denn in der Realität hat die Stadt Lünen für so ein Multimillionen-Projekt zur Untertunnelung der KSS natürlich überhaupt kein Geld.

In diesem Sinne: Willkommen zurück in der Realität.

Disziplin ist genau das, was man bei leeren kommunalen Kassen braucht. Man kann halt nur begrenzt aktiv werden, oder man muss sich Partner /Investoren suchen, die kommunale Projekte mittragen. Aber auch Investoren machen keine Aktivitäten ohne eine gewisse „Gewinnerwartung“.

Ja wir von der SPD haben Kritik an den innovativen Ideen des Planungsbüros geäußert, aber nicht weil wir unflexibel sind, oder an alten Gewohnheiten festhalten wollen und schon gar nicht weil wir verlernt haben zu träumen, sondern weil wir nach bestem Wissen und Gewissen für Sie/euch unsere Arbeit im Rat machen wollen. Und das realistisch.

Grundsätzlich bin ich im Übrigen weiterhin dafür, auch zukünftig Geldmittel für externe Planungen durch Büros für größere Projekte bereitzustellen. Nur so bekommt man auch mal eine andere Sicht auf die Dinge und kocht nicht nur so im eigenen Saft. Warum nicht auch mal einen studentischen Ideenwettbewerb ausloben? Der Mercedesfläche hätte es bestimmt gut getan, wenn man im Vorfeld des Verkaufs durch einen solchen Wettbewerb frische Ideen zur Gestaltung und Nutzung bekommen hätte.

Genauso halte ich es für unabdingbar die BürgerInnen bei jeder Planung möglichst frühzeitig zu beteiligen also am besten von Anfang an, denn wer kennt die Stadt besser als die die dort leben.

Somit fordere ich nun Sie /Euch auf mich bzw. uns zu unterstützen und mir mitzuteilen wie aus Ihrer /Eurer Sicht zukünftig sinnvoll mit der KSS umgegangen werden sollte.

Wenn Sie/ Ihr gute und machbare Ideen haben/ habt, schreiben Sie/ schreibt mich an. Ich bin immer für hilfreiche Ideen, die mir bei der Wahrnehmung meiner Aufgaben helfen, dankbar.

Wir alle haben Verantwortung, wollen gut in unserer Stadt leben und haben viel zu tun, um Lünen l(i)ebenswert zu gestalten

Packen wir es an. Stück für Stück…aber bitte nicht ohne den Blick auf das große Ganze zu verlieren

Mit lieben Grüßen Ihre/eure Ratsfrau

Martina Förster-Teutenberg