Zwei Wahlniederlagen innerhalb von zwei Wochen: Zuerst in Schleswig-Holstein, dann in Nordrhein-Westfalen. Das ist viel und muss zu denken geben! Nicht zuletzt deshalb – sagen wir es ehrlich und unverblümt –, weil die bevorstehende Bundestagswahl auch keinen rauschenden Sieg der SPD in Aussicht stellt.

Was ist los in der Republik? Worauf weisen die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hin? Welche Fragen werfen sie für die Identitätsfrage der SPD auf? Rutscht die auf ihre Geschichte zu Recht stolze Sozialdemokratie mehr und mehr in eine politische Zweitklassigkeit oder gar am Ende in eine politische Bedeutungslosigkeit ab? Ist das, was wir gerade erleben, der Abschied der SPD in kleinen Schritten als kritische Instanz gegen den Kapitalismus?

Angesichts der beiden Landtagswahlen ist zu fragen: Was können die Christ- besser als die Sozialdemokraten? Warum fühlt sich ein Großteil der Lohnabhängigen in unserem (und vor allem auf dem) Land, für die die SPD stets Anwältin sein wollte, durch Christdemokraten besser vertreten und geschützt? Ist die SPD überhaupt noch die Partei der Interessen der lohnabhängig Beschäftigten? Und wenn ja, auch die der heutigen in den „Montagehallen“ der Technologie- und Wissensgesellschaft? Diese Fragen treibt zum Glück auch die NRWSPD um: Warum nur, fragt man im kürzlich veröffentlichten Thesenpapier mehr ratlos, wie es scheint, sind die anderen Parteien so „enorm mobilisierungsfähig“.

Die SPD, will sie als gesellschaftlich kritische Instanz gegen den Kapitalismus und als Anwältin der Lohnabhängigen bestehen bleiben, ist gut beraten, sich diesen Fragen selbstkritisch zu stellen. Ein Versuch stellt dieser Essay dar.

Erinnerung an die Parteigeschichte heißt Erinnerung an die regulative Kraft des Sozialismus!

Seit geraumer Zeit lässt sich in der politischen Öffentlichkeit eine interessante und für die SPD-Krise sicherlich auch wichtige Debatte erkennen. Es sind Bemühungen, die an die in die Verbannung geschobene Idee des Sozialismus erinnern. So fragt jüngst zum Beispiel der Frankfurter Soziologe und Philosoph Axel Honneth in seinem lesenswerten Buch „Die Idee des Sozialismus“ – ganz aufgeklärt – nach der besonderen gesellschaftlichen Energie, die der Sozialismus für ein humanes und selbstbestimmtes Leben der Menschen besaß und nach wie vor besitzt.

Wir können auf diese Ideologie in der SPD nicht verzichten! Warum? Kurz, weil der Sozialismus jene gesellschaftliche Utopie ist, die den Menschen vor den Härten des Kapitalismus beschützen kann. Es ist die Utopie, die die Unterschiede zwischen den Menschen abbauen will, die der Kapitalismus stets aufwirft. Es ist die Utopie einer Gesellschaft, die die Früchte des gemeinsamen Arbeitens allen Menschen in der Gesellschaft gleichermaßen und ohne soziale Unterschiede zukommen lassen will. Denn im Sozialismus ist der Mensch nicht des Menschen Wolf, wie es im Konkurrenzdenken des Kapitalismus der Fall ist; im Sozialismus sind die Menschen gleichberechtigte und gleichwertige Geschwister, die in vereinter Kraft eine gerechte und humane Lebenswelt für alle begründen wollen. Vielen ideologischen GründerInnen und WegbereiterInnen der SPD war dies zumeist klar; und sie nahmen den Kampf gegen das Kapital als Wolfszüchter und -halter auf.

Kritik schärfen: Erneuerung des Kapitalismus erkennen und entschieden entgegnen!

Der Kapitalismus ist produktiv und wandelbar. Das zeigt seine Geschichte. Das Kapital weiß, wie man den technischen Fortschritt entwickelt und nutzt. Aber dies nicht nur, um die Produktion von Gütern zum Wohle der Menschen zu verbessern. Der Kapitalismus nutzt die technische Entwicklung stets dazu, auch soziale Ungleichheit zu tradieren. Das heißt, im Wandel des Fortschritts politische Errungenschaften der gewerkschaftlichen Widerstands- und Arbeitsbewegungen wieder abzubauen, den Arbeiter bzw. dessen Kinder und Kindeskinder wieder unter die Ordnung der altbekannten bürgerlichen Ungleichheit zu bringen. Im Zuge des Fortschritts wuchs in den letzten beiden Jahrzehnten in Europa ein neue Arbeitsprekariat massiv heran. Und so schafft es der Kapitalismus über die Zeit hinweg die Ungleichheit zwischen Arm und Reich auch im Wandel zur digitalen Gesellschaft zu zementieren.

Versprechen des Kapitals à la Ludwig Erhard auf einen Wohlstand für alle blieben im historischen Wandel durch den Kapitalismus uneingelöst; derartige Versprechen des Kapitals dienen lediglich der Augenwischerei und trüben das Bewusstsein über die soziale Wirklichkeit ein. Es sind die zuckersüßen Traumwolken als Versprechen auf eine bessere Zukunft, die für manche immer besser ist als für andere. Auch im Zuge der nachindustriellen Gesellschaft sowie der Digitalisierung wird das deutlich. Die kapitalistische Ausbeutung hat ein neues Gesicht bekommen. Immer mehr Menschen in Europa werden immer kompetenter, gewinnen aber kaum an Status. Einige wenige wurden superreichen und in ihren Branchen übermächtig, wie z.B. Kaufland- und Lidl-Chef Dieter Schwarz. Ihre gesellschaftliche Macht erstreckt sich nicht nur darauf die Löhne in ihren Branchen zu bestimmen, sondern auch den Geldfluss in der Gesellschaft zu bestimmen, wo einst der Staat als Verteilungsinstanz stand.

In der Erkenntnis dieses neuen Gesichts des Kapitals, in der Bewusstmachung der neuen Macht und Herrschaft über Arbeitsexistenzen und -verhältnisse sowie der Förderung der Solidarisierung der lohnabhängigen Menschen gegen diese Ausbeutung liegen nach wie vor noch Sinn und Arbeit der SPD begründet. Diese Parteiideologie war es, die sie historisch stark werden ließ; und diese Idee konnte sie am schärfsten bekämpfen, als sie sich noch aufrecht und umfänglich zum historischen Materialismus als Basis- und Leittheorie der Sozialdemokratie bekannte. Eine Re-Aktivierung der Arbeiterbewegung durch die SPD als Widerstandsbewegung der heutigen Lohnabhängigen müsste auf der Agenda ganz oben stehen.

Neu Agenda für die Solidarität der Lohnabhängigen – lokal, national und international!

Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang in der Geschichte der SPD, dass Wandel und Erneuerung des Kapitalismus Unterstützung durch die SPD erfahren. Das müssen wir uns selbstkritisch eingestehen, wenn wir die Krise in Partei und Gesellschaft wirklich meistern wollen und uns die Arbeit der SPD seit Anfang der 2000er Jahre betrachten. Das bedeutet vor allem, dass die Agenda-Politik der Schröder-Ära radikal in Frage gestellt werden muss. Diese Politik war ein historischer Fehltritt der SPD und nicht – wie oft behauptet – die konsequente Zuspitzung der Wende zur Volkspartei. Auch nach Bad Godesberg 1959 war die SPD dem Sozialismus und der Lohnabhängigen als Anwältin gegen die Ausbeutung und Herrschaft durch das Kapital noch mehr verpflichtet als es uns der Seeheimer Kreis weismachen möchte. Diese Anwaltstätigkeit gab man mit der Agenda 2010 nahezu auf und wurde zum Verwalter einer kapitalistischen Druckpolitik auf die Lohnabhängigen im Strukturwandel zur postindustriellen Gesellschaft: Es muss uns Sozialdemokratinnen und -demokraten doch zu denken geben, dass Kapitalisten immer schon des vollmundigen Lobes für Agenda-2010-Politik waren.

Für die SPD ging Agenda-2010-Politik nach hinten los: diese Politik setzt die Lohnabhängigen massiv unter Druck; sie schützt sie wenig vor den Härten sozialer Risiken in kapitalistischen Gesellschaften, denen die Lohnabhängigen insbesondere in Zeiten der Wirtschaftskrise immer stärker ausgesetzt waren und sind als die Vermögenden und Herrschenden. Wer heute als Lohnabhängige arbeitslos wird, wird hart bestraft und behandelt: Verliert jemand seine Arbeit, die immer auch Teil seiner sozialen Identität ist, kommt der Staat und enteignet ihn bei fortbestehender Arbeitslosigkeit seines Eigentums und eines Teils seiner Persönlichkeit. Denn mit Eintritt in die Hartz-IV-Sicherung erkennt man dem Lohnabhängigen seine Lernleistung als Lebensleistung ab, zwingt ihn unter Androhung von Leistungskürzungen in unterqualifizierte und geringfügig entlohnte Beschäftigung und Maßnahmen. Eine Demütigung von Staats wegen an der die SPD nicht unschuldig ist.

Die SPD der Agenda 2010 versprach Gleichbehandlung: der Zwang würde jeden treffen, was aber nicht der Fall ist. Privilegierte und Vermögende geraten zumeist nicht in diese Lebenssituation. Sie sind sozial besser vernetzt, haben mehr Vitamin-B, wie man sagt, in ihren Milieus. Aufgrund der Agenda-Politik wanderte das Vermögen von unten nach oben, wie selbst wirtschaftsnahe Institut unverblümt vorrechnen. Aber der ausgebeutete Mensch ist nicht dumm: Diejenigen, die von dieser Sozialstaatspolitik betroffen sind, spüren den historischen Verrat; sie spüren, dass die Bemühungen, sie in Arbeit zu bringen, oft nur halbherzig sind, wenig qualitativ und nur dem schönen Schein der Statistik dienen, mit dem dann Politiker prahlen.

Dann noch die Nostalgie: Die noch häufig anzutreffende Arbeiterrhetorik der SPD trifft den heutigen Lohnabhängigen besonders, der unverschuldet in die Fänge der Agenda-2010-Reform geraten ist. Die Härten der kapitalistischen Welt und das Elend von Hartz-IV kennt jeder aus dem näheren Umfeld, der nicht zu den sozial Privilegierten gehört, sondern zur vom lohnabhängigen Masse. Medial vermittelt kennt man die desolate Lage der Arbeiter aus Deutschland, Europa und der Welt heute zu genüge. Die SPD wäre sicherlich gut beraten, die Solidarität und Organisation der Lohnabhängigen als politische Kraft gegen die Herrschaft der Mächtigen wieder radikal zu fördern. Das als ihre politische Aufgabe ersten Ranges anzusehen. Aber dazu muss sie zunächst das Vertrauen erlangen, die Partei der Interessen der Lohnabhängigen zu sein. In dem gegenwärtigen ideologischen Geisteszustand, nicht nur der Partei selbst, sondern auch der neuen „Arbeitergeneration“ dürfte das aber nicht zu leicht sein.

Wer war das sozialdemokratische Milieu und wo ist es heute?

Diese Frage scheint heute nicht mehr so einfach beantwortbar zu sein. Der Industriearbeiter ist es bei weitem nicht mehr in dem Maße wie früher. Dieser ist in Deutschland (sowie in ganz Europa) nahezu ausgestorben, um es etwas überspitzt zu formulieren. Die bevorstehende Digitalisierung wird hier noch das ihre zur Verschärfung beisteuern, wenn auch die mittelständische Industrie und das Handwerk durchdigitalisiert sind. Dort zeichnen sich bereits breite Rationalisierungswellen klassischer Berufsgruppen ab. Die SPD, will sie in dieser neuen Welt noch als „Arbeiterpartei“ in Erscheinung treten, muss sich vor allem den Lohnabhängigen im florierenden Mittelstand zuwenden. Sie muss in den kleineren und mittelgroßen Betrieben die Arbeiter und die Angestellten davon überzeugen, dass sie es ist, die ihre Interessen vertritt – und das besser als der „Betriebspatriarch“, der von Gewerkschaft und Arbeiterorganisation in seinem Betrieb in der Regel nichts wissen will.

Das ist keine leichte Aufgabe; diese Politikarbeit ist mit viel Mühe und Arbeit vor Ort verbunden. Dazu muss man aus dem politischen Elfenbeinturm heraustreten und an die Basis gegen. Es reicht nicht, allein die neuen sozialen Medien zu nutzen, wie leider zu viele Parteiwerbestrategen glauben. Dort ist man zumeist nur ein digitales Event neben den Millionen anderen, die tagtäglich auf die Menschen eindreschen. Die Wirkung der Präsenz vor Ort sowie das persönliche Gespräch sind als Multiplikatoren unersetzlich.

Für diese Gespräche bedarf es an wahren Konzepten, die den Lohnabhängigen in seinem Status schützen. Das kann nicht allein der Hinweis auf Weiterlernen und Kompetenzerhöhung sein, wie man weithin in der SPD heute glaubt: Kompetenzlernen allein schützt vielleicht in einigen wenigen Fällen vor drohender Arbeitslosigkeit; dieses Lernen ist aber insgesamt einseitig und zumeist inhaltsleer in Bezug auf humanisierende Bildungsgüter; es befreit nicht eine kapitalistische Gesellschaft von dem Phänomen der Ausbeute, der Arbeitslosigkeit und einem unsolidarischen Geisteszustand. Das schafft nur Gesellschafts-, Bildungs- und Arbeitspolitik, die nicht am Interesse des Kapitals orientiert ist und eine humanistische Bildung einfordert: Kompetenzlernen, das der betrieblichen Verwertung und der privaten Absicherung dient, ist keine Bildung. Es ist die Fortsetzung der Untertanenbildung und Verfügbarmachung der Lohnabhängigen in der kapitalistischen Produktions- und Wertschöpfungskette, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert immer hervorgebracht wurde. Für eine befreiende Politik bedarf es der Bildung, der humanistisch-sozialistischen Bildung. Hierzu gibt es auch in der Geschichte der SPD vielfältige Ansätze und Personen, an die es sich wieder zu erinnern lohnt.

Was bleibt zu tun?

Viel, aber vor allem Konkretes! Die Politsprache heute hat sich vom Konkreten weitestgehend verabschiedet. Parteiprogramme – auch die der SPD – sind voll Pathosschwulst eines guten und besseren Zukünftigen. Hier liegt sicherlich auch ein Grund für die allgemeine und weitverbreitete Politikverdrossenheit. Die Menschen merken die reine, sprachliche Selbsterhaltung des Politikbetriebs. Den konkreten Bezug, der die Schwere der Lebenswelt anzugehen gedenkt, vermag man meist gar nicht herzustellen. Ein tiefer Graben zwischen Politik und Lebenswelt! Aber nur das Konkrete, das vom gegenwärtigen Missstand ausgeht, kann Utopie zum Besseren werden. In der SPD war man im Gegensatz zu heute auch schon mal mutiger, konkrete Utopien angesichts nüchterner und scharfer Analysen des Kapitalismus zu formulieren. Erinnert sei an den Irrsee Programm-Entwurf von 1986. Liest man diesen vom Geist des demokratischen Sozialismus noch berührten Programmentwurf heute, so ist man ob seiner Aktualität in der Krisenanalyse überrascht.

Ausgehend vom Irrsee-Entwurf kann man eine lange Liste konkreter Vorschläge dessen erstellen, was heute zu tun wäre. Der Raum ist knapp: Deshalb sei an dieser Stelle nur an die „20-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich“ erinnert, die das Irrsee Programms unter anderem geforderte. Eine vortreffliche und hoch aktuelle Idee des demokratischen Sozialismus! Diese Forderung würde eine Entschärfung der Rationalisierungswelle und ein Entgegentreten der Prekarisierungswelle in der postindustriellen Gesellschaft darstellen, die heute – anders als damals – noch allgegenwärtiger ist.

Die politische Durchschlagskraft des Irrsee-Programms war aber angesichts des bald gefolgten Abgesangs des Sozialismus in der SPD eher schwach. Und so kam es dazu, dass die 40-Stunden-Woche mehr und mehr verschwand; aber nicht zugunsten der 20-Stunden-Woche. Heute ist es vielmehr so, dass immer mehr Beschäftige entweder weniger als 15 oder mehr als 60er Stunden in der Woche arbeiten. Einige Zugpferde des Kapitalismus, quasi als Aushängeschilder braver Diener, verdienen übermäßig viel – bekommen selbst bei schlechten Geschäften Boni. Aber nicht nur das: Zugleich wuchs die Zahl – vor allem unter den Jugendlichen – die weitreichend qualifiziert sind. Wegen der Überleistungen einiger weniger aber münden sie nicht voll in den Arbeitsmarkt ein und sind überwiegend als Projektlöhner tätig, wenn sie nicht gleich im Sinne der Privatisierung Unternehmer ihrer selbst sein müssen. Als solche sind sie zumeist den Zulieferbedingungen der großen Wirtschaftsunternehmen unterworfen.

Die „20-Stunde-Woche“ bzw. das „1000-Stunden-Arbeitsjahr“ wäre nach wie vor eine angemessene Forderung der Sozialdemokratie heute. Die Menschen könnten die Lasten der vorhandenen Arbeit besser verteilen. Der SPD würde es einen neuen Arbeitnehmerkreis bieten, den sie gegen die kapitalistische Ausbeutung durch Privatisierung und Entsolidarisierung wieder in Stellung bringen könnte. Auch Freizeit würde eine neue Qualität erfahren: sie böte mehr Raum zur freien gesellschaftlichen und kulturellen Aktivierung. Auch das Familienleben ließe sich besser mit dem Berufsleben vereinbaren. Die vielen Überqualifizierten könnten in den ersten Arbeitsmarkt einmünden und die bereits Tätigen unterstützen und entlasten. Frische, junges Wissen käme schneller in die Arbeitskontexte und würde sich mit dem Erfahrungswissen der „Alten“ befruchten: Kreativität und Innovation würden durch größere Teams weiter entfaltet, da mehr Geist in der Arbeit zum Tragen kommt.

Unberührt bleiben mit dieser Forderung der hohe Arbeitsschutz sowie die Absicherung vor sozialen Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter. Für die Einführung der 20-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich mit hoher Rahmensicherung muss die SPD sich nicht nur von dem wirtschaftsliberalen Kurs der Ausbeutung abwenden; sie muss auch die Vermögenden und Herrschenden in der Finanzierung der Gesellschaft wieder stärker zwingen, muss für den Staat als Garant der Verteilungsgerechtigkeit wieder stärker eintreten. Diese Umbesetzung ihrer bisherigen Politik würde ihr mehr und mehr Sympathie in der lohnabhängigen Klasse einbringen.

Mut zur Wende

Die SPD der Gegenwart scheint für den politischen Schwung gegen den Kapitalismus heute oft zu mutlos. Wohl auch, weil sie viel mehr als es früher der Fall war, mit dem Geist des Kapitals verbunden ist: Habe Mut, dich deines sozialistischen Verstandes wieder zu erinnern und zu bedienen, möchte man frei nach Immanuel Kant ihr zurufen. Vielleicht ist der Abgesang der NRWSPD auf die große Koalition ein erster Schritt zu diesem neuen Mut und zugleich zu einer Politik, die die kapitalistische Vormachtstellung wieder bricht. Um für diesen Kampf geeignete Mittel zu finden, muss die SPD nicht weit gehen: Sie findet sie auf dem Speicher ihrer eigenen Geschichte.

Autor: Dr. Frank Ragutt