Dieses Zitat stammt von Sigmar Gabriel (Programmkonferenz Europa 2016) .
Er hält die EU für d a s Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts, verbunden mit drei Versprechen: Sicherung des Friedens, Stärkung der Demokratie und Wohlstand für alle.

Angesichts des Säbelrasselns an der Grenze zu Russland und der Ukrainekrise, angesichts der eingeschränkten Rechte des EU-Parlaments und Millionen von Arbeitslosen und der Finanzkrise bestehe Zweifel an der Umsetzung der Versprechen.

Aber die Konsequenz kann kein Exit sein, wie die Briten mehrheitlich entschieden, genauso wenig wie nationale Egoismen.

Deshalb wird im Leitantrag für das Regierungsprogramm zu Europa die Absicht bekundet, die gemeinsame europäische Idee zu stärken und für mehr europäischen Zusammenhalt und Solidarität zu kämpfen.

Allen voran traten Martin Schulz und Sigmar Gabriel schon während der Programmkonferenz 2016 dafür ein, Europa besser zu machen.

So sieht der Regierungsprogramm-Entwurf vor:

  • das europäische Wohlstandsversprechen zu erneuern,
  • eine europäische Sozialunion zu errichten,
  • die Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen,
  • das Friedenprojekt Europa weiterzuentwickeln,
  • sich für ein demokratisches und handlungsfähiges Europa und
  • mittelfristig für eine Europäische Verfassung einzusetzen.

Der Wahrung sozialer Rechte wird – ganz Markenzeichen der SPD – große Bedeutung beigemessen. Und es entspricht der Forderung von Martin Schulz, einen Rahmen für ein Leben in Würde zu schaffen.

Bisher gelten scheinbar unverrückbar die vier wirtschaftlichen Grundfreiheiten: freier Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr. Das ist sehr ökonomisch ausgerichtet.  Sie sollen bleiben, aber:

Der Regierungsprogramm-Entwurf sieht nun vor, soziale Rechte gleichrangig den wirtschaftlichen Grundfreiheiten gegenüberzustellen. Das heißt für jeden Mitgliedsstaat, soziale Mindeststandards einzuführen, sodass Lohn- und Sozial-dumping unterbleiben. So solle das Prinzip „gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen am gleichen Ort“ gelten. In Schweden oder Deutschland kann nicht mit polnischen oder rumänischen Löhnen konkurriert werden. Außerdem sollen Mitbestimmungsrechte in   g a n z    Europa gestärkt werden.

Auch die Arbeitslosigkeit und die Wachstumsschwäche der Wirtschaft in der südlichen und westlichen EU sollen bekämpft werden. So ist an einen permanenten Jugendbeschäftigungsfonds gedacht, um die Jugendlichen aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen. Unter anderem soll in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert werden. Innovativen Ideen-Entwicklern soll durch finanzielle Unterstützung eine Chance zur Unternehmensgründung geboten werden.

Um den Steuerwettbewerb unter den EU-Staaten zu vermeiden, soll das Unternehmenssteuerrecht vereinheitlicht werden. Unternehmen sollen dort Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Und gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung soll eingeschritten werden. Es kann nicht sein, dass insb. weltweit aktive  Großunternehmen von jenen Staaten (innerhalb der EU nach Luxemburg, Irland oder Malta) angelockt werden, in denen sie keine oder kaum Steuern zu zahlen brauchen, die normalen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen und kleinere Unternehmen jedoch die Steuerlast zu tragen haben. Das ist nicht gerecht und nicht solidarisch.

Für den Euro-Raum wird die Einrichtung einer Wirtschaftsregierung angestrebt, legitimiert und kontrolliert von dem Europäischen Parlament. Ein gemeinsames Finanzbudget soll Investitionsimpulse ermöglichen und stabilisierend eingesetzt werden. Zu diesem Zweck sollen Finanzmarktgeschäfte besteuert werden und so zum Gemeinwohl beitragen. Vor dem Hintergrund öffentlich zur Verfügung gestellter Mittel zur Rettung von Banken in der Finanzmarktkrise ist es in der Tat nicht einzusehen, dass Finanzmarktgeschäfte nicht besteuert werden. (Das DIW hatte 2015 in einem Gutachten ermittelt, dass eine Steuer von 0,05 % auf Aktienumsätze und 0,005 % auf Derivate für Deutschland Einnahmen von 10 – 25 Mrd. € ergäben. England, Schweden und die Bankenlobby seien lt. Spiegel online dagegen gewesen.)

Viele von uns, liebe Genossinnen und Genossen, haben das Glück, ihr Leben bisher in einem friedlichen Europa verbracht zu haben – geradezu selbstverständlich. Die weltpolitischen Entwicklungen der jüngsten Zeit zeigen uns, dass diese Selbstverständlichkeit ein Irrtum ist. Umso mehr gilt es, das Friedensprojekt Europa zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Regierungsentwurf gibt im Rahmen einer präventiven, umfassenden Friedens- und Entwicklungspolitik den zivilen Maßnahmen und Mitteln den Vorrang. Wenn Europa hier als ein Kümmerer auftritt, der durch Gespräche und zivile Maßnahmen bei Konflikten möglichst schon im Entstehen ausgleichend eingreift, ist das nur zu begrüßen. Leider scheint das nicht immer zu genügen. Insofern ist es sinnvoll, dass die Gründung einer Europäischen Verteidigungsunion schon aus Effizienzgründen angestrebt wird.

Außerdem sollen das Europäische Parlament und die Europäische Kommission gestärkt werden – ein Beitrag zur weiteren Demokratisierung der EU.

Für die westlichen Balkanstaaten sieht man eine Beitrittsperspektive, für die Türkei derzeit nicht. Eine enge Partnerschaft mit Großbritannien sei im Interesse der EU und Deutschlands, aber die Vorteile wie bei einer EU-Mitgliedschaft könne es nicht geben. Das ist nachvollziehbar.

Manche Landsleute kritisieren die EU-Mitgliedschaft Deutschlands. Wir seien als Nettozahler die Lastesel der Gemeinschaft. Dem entgegnete Sigmar Gabriel schon während der Programmkonferenz, dass dies eine dumme Erzählung sei. 60 % unserer Produkte und Dienstleistungen gingen in die EU. Unsere hochwertigen Produkte und Dienstleistungen könnten sich die anderen aber nur leisten, wenn es denen auch gutgehe. Wir seien letztlich die Nettogewinner, so Sigmar Gabriel.

Immer wieder wird beklagt, dass wir zu viel Souveränität an die EU – Institutionen abgeben. Sicherlich muss darum vielleicht sogar gestritten werden, was auf der EU-Ebene zu regeln ist und was die Nationalstaaten oder gar die Regionen viel kompetenter erledigen können. Der Gedanke, dass nicht alle Nationen gleichschrittig vorgehen müssen, ist nach öffentlicher Diskussion auch in dem Regierungsprogramm-Entwurf enthalten. Wir müssen uns aber auch fragen, wieviel Souveränität wir überhaupt wahren können, wenn wir großen Playern wie den USA und China gegenüberstehen. Schon Deutschland als verhältnismäßig starke Volkswirtschaft, aber ohne wesentliche Rohstoffe dürfte da in Schwierigkeiten kommen. Wie dann erst die kleineren Staaten? Wir müssen also in Europa zusammenhalten.

Stimmen wir also dafür, dass Europa weiterhin der beste Platz der Welt bleibt.

Angela Wegener-Nachtkamp, Redakteurin

(siehe auch Leitantrag der SPD 2017)